Nachdem das erste Kennenlernen der Jugendlichen virtuell stattgefunden hatte, begaben sich elf SchülerInnen der 8. Jahrgangsstufe gemeinsam mit ihren Lehrkräften Brigitte Hartung-Bretz und Tim Krappmann kurz vor den Osterferien auf große Reise. Eine Zwischenübernachtung in Paris ermöglichte den Besuch einiger Sehenswürdigkeiten. So konnten die Île Saint-Louis und die Île de la Cité erkundet werden, entlang der Seine ging es zu den Bouquinisten und der Louvre mit seiner Pyramide wurde ebenso bestaunt wie der Arc de Triomphe du Carrousel. Durch den Jardin des Tuileries gelangte man über den Place de la Concorde zum Eiffelturm, bevor eine Schiffsfahrt auf der Seine angesagt war. Am nächsten Morgen stand die Besichtigung der neu eröffneten Kathedrale Notre-Dame auf dem Programm, ein wahrhaft beeindruckendes Erlebnis. Im Anschluss ging es zum Centre Pompidou mit dem Strawinski-Brunnen und zum Forum des Halles. Immer wieder abenteuerlich gestaltete sich auch das Metrofahren, diesmal bis zu Endstation „La Défense“, dem modernen Hochhausviertel westlich von Paris, wo der Bus nach Caen bestiegen wurde. Dort angekommen, wurde die Gruppe von den französischen Jugendlichen mit ihren Betreuern François-Xavier Merle und Lucie Goulard in Empfang genommen. In Kleinbussen erfolgte der Transport zum Jugendzentrum „La Colinerie“, 15 Kilometer südlich von Caen. Die ersten Kontakte wurden sofort beim Volleyballspiel geknüpft und beim gemeinsamen Küchendienst vertieft, denn die Versorgung erfolgte komplett autonom in deutsch-französischen Kleingruppen, die sich um Tischdecken, Kochen, Spülen und Picknickvorbereitungen kümmerten. So wurde ein Lerneffekt nicht nur bei den gemeinsamen Aktivitäten zur Sprachanimation erzielt. Die eigentliche Projektarbeit zum Thema Erinnerungskultur erforderte allerdings eine Vermittlung an Hand von Übersetzungen. Die Jugendlichen hatten zur Vorbereitung des Treffens in ihren jeweiligen Familien recherchiert, wie ihre Vorfahren die Kriegszeit erlebt hatten. Eine junge Französin berichtete von ihrem Urgroßvater, der als Vierjähriger die Flucht seiner Familie aus den von den Deutschen besetzten Gebieten erlebte und dessen Bruder bei den Kampfhandlungen ums Leben kam. Eine junge deutsche Schülerin erzählte die Geschichte ihrer Ururgroßeltern, die von den deutschen Besatzern als Zwangsarbeiter in der Nähe von Lübeck angesiedelt wurden und erst nach dem Krieg wieder in ihre polnische Heimat zurückkehren durften, allerdings ohne den Familienvater, der in Deutschland an den Folgen einer Magenoperation verstorben war. Nur zwei der vielen bewegenden persönlichen Kriegserinnerungen, die die Grausamkeit und Sinnlosigkeit von Kriegen verdeutlichen. Auch die Besichtigungen und Führungen standen ganz im Zeichen der Erinnerungskultur. Das Mémorial in Caen, ein Museum, das sich mit der Entwicklung vom Ersten Weltkrieg bis zum Mauerfall auseinandersetzt, wurde mittels einer Rallye erkundet, ebenso der Soldatenfriedhof von Ranville. Hier wurden die ersten Opfer der Landung der Alliierten in der Normandie beigesetzt. Die gleiche Thematik findet sich im D-Day Museum in Arromanches wieder. Videos, ein Audioguide und Modelle des künstlichen Hafens veranschaulichten diesen Wendepunkt in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Mit den Verlusten in der Zivilbevölkerung setzt sich das Mémorial in Falaise auseinander. Am letzten Tag stand noch ein Besuch des Mont-Saint-Michel auf dem Programm. Bei der Heimreise wurde ein kurzer Zwischenstopp in Paris mit einem Picknick im Jardin Royal eingelegt. Finanziell unterstützt wurde die Austauschmaßnahme dankenswerterweise vom Deutsch-Französischen Jugendwerk, vom Bezirk Unterfranken und vom Deutsch-Französischen Club Miltenberg. Ein zweites Treffen wird im Juli in Berlin stattfinden. Auch dort wird das Hauptaugenmerk auf dem Thema Erinnerungskultur liegen: die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen, Berlinblockade, Mauerbau und Mauerfall.
Brigitte Hartung-Bretz